DHW-Analyse: Die Türkei, Hamas und Deutschlands geopolitische Verantwortung

In den vergangenen Tagen haben politische Entwicklungen im Nahen Osten stattgefunden, die einerseits in der deutschen Medienlandschaft nur begrenzt aufgegriffen wurden, andererseits die diplomatischen Herausforderungen verdeutlichen, die auf Deutschland und die Europäische Union sehr bald zukommen werden. Besonders das Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und einer hochrangigen Hamas-Delegation am 29. Januar 2025 wirft Fragen zur geopolitischen Positionierung der Türkei sowie zu möglichen Reaktionen Deutschlands auf. Die Gespräche zwischen Erdogan und der Hamas-Führung fanden unter Beteiligung von Außenminister Hakan Fidan und Geheimdienstchef Ibrahim Kalin statt, was die hohe politische und sicherheitspolitische Relevanz dieses Treffens unterstreicht.

Die Türkei und Hamas: Eine differenzierte Betrachtung

Die Türkei verfolgt eine eigenständige Außenpolitik und betrachtet Hamas nicht als terroristische Organisation, sondern als politische Kraft mit gesellschaftlicher Verankerung in den palästinensischen Gebieten. Erdogan pflegt seit Jahren enge Kontakte zur Hamas-Führung und nutzt diese Beziehungen, um Einfluss auf die palästinensische Politik und den Nahostkonflikt zu nehmen.

Eine Analyse der Argumente zur türkischen Haltung gegenüber Hamas zeigt eine klare strategische Ausrichtung:

               •              Pro-Türkei-Perspektive: Ankara sieht sich als Schutzmacht der Palästinenser und versucht, diplomatische Kanäle offenzuhalten, um bei zukünftigen Friedensgesprächen dabei zu sein und prospektiv in den palästinensischen Gebieten Fuß zu fassen.

               •              Kritische Perspektive: Deutschland, Europa und die USA bewerten diese Politik skeptisch, da sie die Hamas als destabilisierenden Akteur sehen, der den Friedensprozess erschwert.

Deutsche Einflussmöglichkeiten und geopolitische Optionen

Ein strategisches Whiteboard-Analysemodell zeigt, dass Deutschland über mehrere politische und wirtschaftliche Hebel verfügt, um auf die türkische Haltung einzuwirken:

Diplomatische Kanäle nutzen

  1. Direkte Gespräche mit der türkischen Regierung über die Auswirkungen ihrer Nahost-Politik.
  2. Unterstützung von multilateralen Initiativen zur Stabilisierung der Region.
  3. Einstellung sämtlicher Finanzierungen an die DITIB; keine Visa-Genehmigungen für DITIB-Funktionäre.
  4. Schutz von Minderheiten, Religionen und Frauen in der Türkei.

Wirtschaftliche Hebel einsetzen

  1. Zollabkommen und Handelsbeziehungen: Eine stärkere Konditionierung wirtschaftlicher Privilegien an politische Compliance.
  2. Rüstungskooperationen überdenken: Die Frage, ob militärische Technologie indirekt für nicht gewünschte Zwecke genutzt wird, sollte Teil der Debatte sein.
  3. Verpflichtung zum Schutz der Handelswege weltweit.

Europäische und transatlantische Geschlossenheit stärken

  1. Koordination mit der EU und NATO, um eine einheitliche Haltung zur Türkei und ihrem geopolitischen Kurs zu entwickeln.
  2. Unterstützung von stabilitätsfördernden Initiativen in der Mittelmeerregion, etwa durch verstärkte Zusammenarbeit mit Griechenland und Zypern.
  3. Respekt vor den Bündnispartnern des Westens im Nahen Osten (z.B. Kurden, Israel).

Schlussfolgerung: Deutschlands Türkeipolitik braucht eine Neubewertung und einen klaren und pragmatischen strategischen Rahmen

Die Entwicklungen zeigen, dass die Türkei ihre eigene Agenda im Nahen Osten, im östlichen Mittelmeer und in Afrika und Vorderasien verfolgt, unabhängig von westlichen Interessen. Für Deutschland ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer pragmatischen, aber kritischen Türkeipolitik:

               •              Dialogbereitschaft bewahren, um die Türkei als Gesprächspartner nicht zu verlieren.

               •              Gezielte wirtschaftliche und diplomatische Anreize nutzen, um Einfluss auf kritische Entscheidungen zu nehmen.

               •              Die europäische Position stärken, um geschlossen gegenüber geopolitischen Herausforderungen aufzutreten.

Als DHW setzen wir uns für eine sachliche und diplomatische Debatte ein, die wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Deutschlands Beziehungen zur Türkei sollten nicht nur von Differenzen geprägt sein, sondern auch von einer langfristigen Strategie der Kooperation und Einflussnahme, um Frieden und Sicherheit am östlichen Rand der EU, im Nahen Osten und dem östlichen Mittelmeer langfristig zu erreichen.

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