DHW in Bayern: Ministerpräsident Markus Söder beim Jahresempfang

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Nach mehrjähriger Pause konnte eine Tradition wiederaufgenommen werden: der Jahresempfang, den die Akademie für Politische Bildung mit der Europa-Union München, der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung, der Griechischen Akademie sowie den Jungen Europäischen Föderalisten München zum Thema Europa ausrichtet. Festredner war der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Veranstaltungsort war der große Saal des Unternehmens Giesecke+Devrient (G+D) in München. Der Jahresempfang stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der „Welt im Wandel“.

In seiner Begrüßung gab Stavros Kostantinidis, Vorsitzender der Jungen Union München und DHW-Regionalpräsident, die wichtigsten Stichworte und Fragen an den Gastredner: „In den vergangenen Jahren haben wir erlebt, wie sehr sich die Welt verändert hat. Die globalen politischen, wirtschaftlichen, technologischen und epidemiologischen Herausforderungen entwickelten sich irre schnell und sind für uns alle tiefgreifend. Der Krieg in der Ukraine kommt bei uns nicht nur emotional an, sondern jetzt auch in unsere Portemonnaies. Alles wird teurer, vor allem Lebensmittel und Energie. Globale Lieferketten sind unterbrochen. Waren werden knapp, Produktionen stottern, die Weltwirtschaft ist aus dem Takt. Und da ist auch noch der Klimawandel, den wir mit Milliarden schweren Transformationsprozessen ausbremsen müssen. Kann der Staat dies alles gleichzeitig Wuppen mit Rekordverschuldung, Sondervermögen und Nachtragshaushalten? Rezession und Wohlstandsverluste drohen, die alle treffen aber am härtesten wohl wieder die ärmsten. Wir leben in einer Zeit, in der über die Situation auf unserem Planeten neu diskutiert wird.“

Markus Söder antwortet und analysiert

„Das, was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, gab es vorher nicht in vergleichbarer Weise“, sagte der Bayerische Ministerpräsident Söder. Erst eine globale Seuche, dann ein Krieg – und wer weiß, was noch alles auf uns zukomme. Die Welt drehe sich nicht nur schneller, sondern teilweise auch in komplett andere Richtungen als wir es gewohnt sind.

Die alten Modelle funktionierten nicht mehr. Er habe sich als Politiker in der schlimmsten Corona-Phase wie bei einem „Gang auf dem Gletscher“ gefühlt. Es habe keine Spur gegeben, der man hätte folgen können, kein erprobtes Lösungskonzept. Stattdessen seien Dutzende von Gletscherspalten dagewesen, in die man hätte abstürzen können. Es sei schließlich um die „Kernaufgabe der Politik, den Schutz des Lebens“ gegangen. Er habe den Eindruck, dass die Gesellschaft in der Corona-Zeit weniger gespalten sei als in den digitalen Blasen abgebildet werde. Die Mehrheit sei nicht auf die Barrikaden gegangen, sondern „die große Mehrheit in Bayern und auch in Deutschland hat die Herausforderungen immer wieder geschultert“, sagte Söder.

Nun sei gerade in der Zeit, wo endlich wieder mehr Lebensfreude aufkam, der Angriff auf die Ukraine erfolgt. Nach seinem Eindruck ist die Gefühlswelt der Bevölkerung dadurch schon wieder völlig durcheinandergeraten. Dies beträfe vor allem zwei Punkte: Das eine ist das Mitgefühl für die Menschen in der Ukraine. Das andere ist die zunehmend größer werdende Sorge über die Folgen des Krieges für die eigene Situation.

Ukraine-Krieg und Kaufkraftverlust

Söder mahnte, in dieser Zeit der Veränderungen zusammenzustehen. Bayern versuche, seinen Beitrag zu leisten: zum einen dadurch, dass Menschen Schutz geboten und für Unterkunft und auch für Schule und Kita gesorgt werde. Zum anderen leiste Bayern seinen Beitrag dazu, dass in der Ukraine Stabilität einkehrt, zumindest keine Überlegenheit der Russen entsteht. Er glaubt, dass Waffenlieferungen sinnvoll sind. Wir müssten nur aufpassen: „Waffen liefern ja, Kriegspartei werden nein“, sagte er.

„Aber der sicherheitspolitische Teil ist nur der eine“, so Söder. Mit Hinweis auf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich sagte er, dass der Ukraine-Krieg für die Wählerinnen und Wähler offensichtlich nicht das wichtigste Thema war, sondern vielmehr die Probleme in Zusammenhang mit dem Kaufkraftverlust. Viele Menschen hätten Angst vor dem Abstieg. Es sei eine entscheidende Frage, diese Sorgen anzunehmen und ernst zu nehmen. Wer Inflation zulässt und nichts gegen die Inflation tut, wird am Ende echte Probleme für die soziale Symmetrie der Gesellschaft sehen, sagte Söder. Stavros Kostantinidis, Vorsitzender der Europa-Union München warf die Frage auf, ob der Staat überhaupt in der Lage sei, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Er befürchtet, dass wieder die Ärmsten am stärksten von den negativen Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Inflation betroffen sein werden.

Energieversorgung gewährleisten

Söder ging in diesem Zusammenhang auf die steigende Energiepreise ein. Diese würden nicht nur eine Armutsfrage für die Menschen sein, sondern würden sich auch zu einem Standortnachteil entwickeln – und zwar in Deutschland stärker als anderswo. Beim Thema Energie müssten zwei Dinge in den Blick genommen werden: Versorgungssicherheit und Preisstabilität. Er wandte sich gegen ein Gasembargo „über Nacht“ gegenüber Russland, zumal dies zu der Fragestellung führen könnte, ob man nun die Energiezufuhr von Betrieben oder die Energieversorgung von Haushalten herunterfahren muss. Wir bräuchten aber schnellen Ersatz. Jede Möglichkeit, die Energieversorgung zu gewährleisten, müsse unideologisch genutzt werden. In der jetzigen Phase hält er die Debatte über den Ausstieg aus der Kernenergie für falsch. Es wäre pragmatisch, zumindest für eine bestimmte Zeit, bis alle Energiefragen gelöst sind, nicht noch zusätzliche Kernenergie abzuschalten.

„Wir klotzen nochmal richtig, was erneuerbare Energien betrifft“, sagte er unter Verweis auf die Potenziale von Windkraft, Photovoltaik, Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft. Mit neuen Windrädern im Onshore-Bereich könnten wir einen Riesenschritt vorankommen, sagte er.

Abstrakt formuliert, würden solche Dinge hohe Zustimmung ernten. Konkret könne ein Windrad aber eine große Herausforderung sein, nämlich dann, wenn es um ein Windrad vor der eigenen Haustür geht. Die Windkraft müsse man sensibel ausbauen, „nicht mit der Brechstange“.

Optimismus der Politik, Unzufriedenheit der Bürgerschaft

Söder appellierte, optimistisch zu sein. „Man muss Sorgen eine Stimme geben, aber auch Halt und Hoffnung geben“. Generationen vor uns hätten alles dafür gegeben, innerhalb eines Jahres einen Impfstoff herzustellen, der Leben rettet. Manchmal seien wir ein wenig zu verwöhnt und undankbar. Wenn wir das Ende der Geschichte quasi vordenken würden, können wir nicht die Leistungskräfte von Wissenschaft und Forschung, im unternehmerischen Bereich oder im sozialen Engagement wecken. Auch die Krise des Ukraine-Krieges werden wir überstehen, sagte er. Wir müssten nur darauf achten, Kluft und Verteilung in der Gesellschaft so zusammenbringen, dass keine nachhaltigen Schäden entstehen.

„Nach meiner Wahrnehmung kann man schon feststellen, dass sich in der Beziehung zwischen der Bürgerschaft und den politisch Verantwortlichen etwas eingeschlichen hat“, sagte Akademiedirektorin Ursula Münch. Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung habe den Eindruck, dass die Lebenslage und die Interessen der Menschen von den politisch Verantwortlichen zu wenig berücksichtigt werden. Milieuübergreifend stellt Münch eine Unzufriedenheit über die Diskrepanz von politischen Ankündigungen und dem tatsächlichen Regierungshandeln fest.

Problem Fachkräftemangel

Söder negierte die Probleme nicht, verbreitete aber auch großen Optimismus: Bayern habe die meisten Industriearbeitsplätze in Deutschland, die niedrigste Armutsquote und die niedrigste Arbeitslosigkeit und sogar europaweit die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit, sagte Söder. Bayern sei nach der Transformation vom Agrar- zum Industriestaat, vom Industriestaat in ein Hightech-Land nunmehr in die Phase der Digitalisierung getreten. Entsprechend werde investiert. Zum Beispiel würden neue Lehrstühle für Künstliche Intelligenz mit München als Zentrum für Quantencomputing kombiniert. Söder erinnerte aber auch an den bestehenden Fachkräftemangel. Dieser sei eine der größten Herausforderung für die Politik. Vielleicht läge hier eine Chance in der Einwanderung aus der Ukraine. Zudem werde in Schulen und Hochschulen investiert. „Wir brauchen aber noch einmal einen richtigen Schwung in Richtung berufliche Bildung“. Diese sei genauso gut wie die akademische Bildung. Ob nun „Meister“ oder „Master“, beides ist gleichwertig.

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